Öl auf Leinen. Lichtmaße 61 x 98 cm
Mit welcher Entspannung und inniger, konzentrierter Geschlossenheit blicken uns die einzelnen Schafe einer kleinen Herde entgegen, als wollten sie uns ein Vorbild sein in dieser bewegten und nahezu beispiellosen Zeit. Gleich einer Insel inmitten der bis in die Unendlichkeit ausgebreiteten Heidelandschaft scheint das Motiv auf dem Ölgemälde des in Schleswig geborenen Malers Wilhelm Zillen (1824-1870) in mehrfacher Hinsicht ein Zeichen zu sein. Als die Abbildung dieses im vergangenen Jahr vom Freundesreis Schloss Gottorf erworbenen Gemäldes für das Programmheft ausgewählt wurde, konnten die aktuellen Entwicklungen mit der derzeitigen notwendigen Museums- Galerie und Atelierabstinenz noch nicht erahnt werden.
Wilhelm Zillen, Sohn eines Goldschmieds, schlug zunächst die bildhauerische Kunstrichtung ein und besuchte 1845 nur sehr kurz die Königlich Dänische Kunstakademie in Kopenhagen, um anschließend für zwei Jahre im Atelier des dänischen, stilistisch dem Klassizismus verhafteten Bildhauers Herman Wilhelm Brissen (1798-1868) mitzuarbeiten. Seine künstlerisch prägende Phase erlebte Zillen von 1854-1856 als Student an der damals international renommierten Königlich-Preußischen Kunstakademie Düsseldorf, welche sich besonders wegen ihres außerordentlichen Ansehens in den Genres der Historien- und Landschaftsmalerei großen Zuspruchs erfreute. Unterricht nahm Zillen bei den Malern Carl Friedrich Lessing (1808-1880) und Johann Wilhelm Schirmer (1807-1863), durch die er zu einer spätromantischen Prägung seines Malstils gelangte. Bereits bei seiner Ankunft in Düsseldorf erlebte Zillen einen glücklich-inspirierenden Sommer, als er immer wieder mit Vertretern der skandinavischen Malerei innerhalb der Düsseldorfer Schule (Sophus Jacobsen, Peter Nicolai, Werner Holmberg) zu ausführlichen Wanderungen aufbrach und die Landschaft des ursprünglichen Neandertals unweit von Düsseldorf durchstreifte. In dieser damals noch unberührten Landschaft erspürten die Maler die Natur als Gottessphäre. Nach zweijährigem Aufenthalt in Düsseldorf siedelte Zillen mit seiner Ehefrau Lisette Louise geb. Larsen (1825-1884) endgültig nach Kopenhagen über. Das Werk des zu Lebzeiten außerordentlich geschätzten Künstlers steht ganz unter dem Eindruck von spätromantischen Motiven der Tier-, Genre- und Landschaftsmalerei, welche teilweise von ihm auch als Radierungen und Illustrationen angefertigt wurden. Die pastoralen Szenerien und teils staffageartig aneinandergereihten Bildelemente, welche in der Natur studiert und im Atelier komponiert und fertig gestellt wurden, sind maltechnisch ganz von der Schule der aufwändig- akribischen Feinmalerei nach Wilhelm Schadow, dem namenhaften Mitbegründer der Düsseldorfer Malschule, geprägt. In zahlreichen Werken beschäftigt sich Wilhelm Zillen mit der im 19. Jahrhundert an Selbstbewusstsein und auch zunehmend Realitätsanspruch gewinnenden Tiermalerei.
Das sich nunmehr auf Schloss Gottorf befindliche Gemälde ordnet sich damit als charakteristisches Motiv in das Gesamtoevre Zillens ein. Zugleich kann man es als österlichen Gruß verstehen, mit dem deutlichen Hinweis auf die positive Kraft, die wir aus dem festen Kreise unserer Familie, aus dem Umfeld der uns Vertrauten und Nächsten, aus der Geborgenheit des Zusammenhaltes zu schöpfen wissen. Schützend kommen die Schafe zu einer Gemeinschaft zusammen, die im Sinne christlicher Konnotation an die Gemeinschaft der Gläubigen erinnert. So wie der starke Hell-Dunkel-Gegensatz die Gruppe nicht zu verängstigen mag, so wird auch die Gruppe der Gläubigen alle Gefährdungen überstehen. Während alle Schafe dem Betrachter zugewandt sind, blickt das verschattete Schaf in die Tiefe einer sich zunehmend aufhellenden Wolkenformation, welche ein Vorübergehen der dunklen Atmosphäre verspricht. Verhalten kündigt sich hier in der scheinbar nur realistischen Darstellung ein sakrales Element an.
Almut Rix